
Kleidung kaufen ist für mich eine dermaßen schwierige Angelegenheit, dass ich oft einfach meine alten Jeans flicke, nur um den lästigen Fragen an mich und meine Kleidungsstücke zu entgehen. Ich habe schon oft mit Freunden über das Thema diskutiert, aber wir sind nie zu einer befriedigenden Lösung gekommen, denn natürlich gibt es Biokleidung im Internet, aber wer will schon auf 100 Meter Entfernung nach Spaßbremse aussehen? Ich will witzige, tragbare, praktische, schicke, bunte und eben faire Mode. Oder elegante und klassische, aber ich will nicht aussehen wie ein farbloser Jutesack mit Trekkingjacke drüber. Den passenden Laden, um diesem Kleidungsdrama zu entgehen - Wilhelmine - hab ich in Wilhelmsburg gefunden. Zum ersten Mal seit langem fühle ich mich nicht mehr als Einhorn, denn offensichtlich geht es vielen Leuten wie mir.

Wilhelmine befindet sich mitten im Wilhemsburger Reiherstiegviertel. Von außen wirkt der Laden etwas unscheinbar, auch im Schaufenster stehen nicht in großen Lettern die Worte „fair“, „ökologisch“ und „lokal“. Man lebt das Motto "Faire Mode" einfach und besticht mit puristischer Mode aus hochwertigen Materialien. Neben dem Pulli aus Alpakawolle, der sich überhaupt nicht wie Wolle oder Kamelhaar anfühlt und eher wie ein T-Shirt fällt, hängt ein Kapuzenpulli in lichtblau im Hoodie-Schnitt. Es gibt bunte Baumwolltücher und Leggings, faire Schuhe, Taschen und sehr kompetente, freundliche Beratung für Männer- und Frauenmode. Es fällt schwer, hier ohne ein neues Lieblingsstück herauszugehen. Und ein nettes Gespräch gibt es gratis dazu, denn Wilhelmine ist einer dieser sympathischen Läden von Menschen, die ihre Passion zum Beruf machen. Mit dieser Nische ist es immer noch nicht einfach zu überleben, zumal die Mieten in den Nachbarläden seit Jahren kontinuierlich gestiegen sind. Überhaupt sind viele der Produkte, die hier verkauft werden, keine Kinder einer Geldmaximierungslogik, sondern von Leuten, deren Überlebens- und Geschäftsstrategie auf Nachhaltigkeit und Langfristigkeit baut. Anders wäre es sonst auch schwierig, die ungiftigen und lokalen Kleidungsstücke überhaupt zu einem bezahlbaren Preis anzubieten.

Gleich um die Ecke kann man noch einen Ort für nachhaltiges Konsumieren besuchen, der schon etwas länger im Viertel ist und aus der ersten Welle alternativer Lebenskonzepte stammt, die nach Wilhelmsburg emigrierten. Schon Mitte der 70er Jahre entdeckte man die andere Elbseite als Sehnsuchtsort und Platz für Freiräume. Die Honigfabrik, einst Schule und Jugendzentrum, dann Stadtteil-Kulturzentrum und heute Alternativort und lebendiger Beweis für Hamburgs Kulturlandschaft, ist ein Treffpunkt ebenso wie Raum für Werkstätten und Ateliers. Der Bau ist eine ehemalige Fabrik, 1906 als Margarinefabrik erbaut in rotem Stein und seit 1986 offiziell als Stadtteil-Kulturzentrum in Betrieb. Es ist einer dieser Orte, an denen Dinge nicht weggeworfen, sondern repariert werden bzw. an denen man auch lernen kann, Dinge selbst herzustellen. Für Menschen, die lernen wollen, Ihr Auto selbst zu reparieren, gibt es eine Selbsthilfewerkstatt. Man kann schweißen lernen in der Metallwerkstatt, malen oder mit Holz arbeiten und Möbel herstellen. Neben dem Kulturangebot und vielen weiteren Kursen für das eigene Kreativsein ist die Honigfabrik auch ein sehr schöner Ort, um einen lauen Sommerabend zu verbringen oder sich nach Lesungen über Bücher zu unterhalten. Es ist einer dieser besonderen Orte, die sich frei und wenig konventionell anfühlen – und auf einmal erlebt man, wie Konsum und Kultur in keinem Widerspruch zueinander stehen, egal ob teilweise selbstgemacht, teilrestauriert oder auch komplett neu, bunt und modisch.
Weitere Infos:
http://www.honigfabrik.de/
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